Datenschutz ernst genommen:
Kommerzielle Daten-Tracker und Daten-Händler
„Alle Daten sind Kreditdaten, wir wissen nur noch nicht, wie wir sie einsetzen werden.“
Der Satz wurde 2012 von Douglas Merrill geäußert, der 2009 nach fünf Jahren als Chief Information Officer bei Google das Unternehmen ZestCash gründete, das inzwischen unter dem Namen ZestFinance Kreditwürdigkeitsanalysen auf Basis personenbezogener Daten anbietet.
Quelle: Wolfie Christl, Cracked Labs (November 2014): Durchleuchtet, analysiert und einsortiert. Abgerufen am: 10.04.2015, 11:55 von http://crackedlabs.org/studie-kommerzielle-ueberwachung
Mehr als 1.000 Firmen haben sich darauf spezialisiert, Daten zu sammeln und diese gewinnbringend zu verkaufen.
Die amerikanische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde (FTC) beschreibt in der Studie „Data Brokers, A Call for Transparency and Accountability“ im Detail, wie sich dieser Markt mittlerweile entwickelt hat und welche negativen Einflüsse dieses Geschäftsmodell auf die Gesellschaft ausübt. Diese Daten-Händler sammeln und verkaufen Ihre Daten ohne Ihr Wissen oder Ihre Zustimmung und, da es deren „Kapital“ darstellt, löschen sie diese Daten nie. Selbst wenn der Internetnutzer eine seriöse Internetseite ansteuert, wird mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit sein Surf-Profil (der digitale Fußabdruck) bei Google und weiteren Daten-Sammlern erfasst, auch wenn er nie eine Google-Seite direkt aufgerufen oder irgendwelchen Google-AGBs zugestimmt hat. Zum Zeitpunkt der Comidio Recherche hatte allein focus.de 16 verschiedene Daten-Tracker in der Homepage eingebaut.
Und die Anzahl der Firmen, die sich für Daten interessieren, steigt rapide an. Selbst bei einem Fernseher kann man nicht mehr sicher sein, dass keine persönlichen Daten an TV-Sender oder sogar -Hersteller übermittelt werden. Der TV-Hersteller Samsung empfiehlt in seinen Nutzungsbedingungen, besser nichts Privates in Anwesenheit eines Smart-TVs zusagen, weil die Spracherkennung dies irgendwohin übermitteln könnte.
Aber nicht nur das Mikrofon am Fernseher könnte den Benutzer ausspionieren. Aktuelle Fernseh-Generationen kommen technologisch den Smartphones immer näher, indem die Funktionalität des Fernsehers mit Herunterladen von Apps erweitert werden kann. Und dazu gibt es noch interaktives TV (HbbTV). Somit sind App-Anbieter, TV-Gerätehersteller, HbbTV-Anbieter, Anbieter elektronischer Programmführer (Electronic Programm Guide – EPG) und TV-Sender in der Lage, das Benutzerverhalten zu tracken.
Erstellen von Nutzer-Profilen
Aus gesammelten Daten werden mit Big Data Analysen Informationen über Internet-Nutzer zusammengestellt; z.B. Informationen über
- sein Kaufverhalten,
- seine finanzielle Situation,
- seinen Bildungsgrad und Beruf,
- seine religiöse und sexuelle Orientierung,
- seine nationale Abstammung und Hautfarbe,
- seine Krankheiten,
- eventuelle Haustiere und
- eventuelle sportliche Tätigkeiten.
Die folgenden Eigenschaften können allein auf Basis von Facebook-Likes berechnet werden:
Quelle: Wolfie Christl, Cracked Labs (November 2014): Durchleuchtet, analysiert und einsortiert. Abgerufen am: 10.04.2015, 11:55 von http://crackedlabs.org/studie-kommerzielle-ueberwachung, Lizenz: CC BY-SA 3.0 Cracked Labs (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)
Hier ein Zitat aus http://crackedlabs.org/studie-kommerzielle-ueberwachung:
„Die US-Firma Acxiom verfügt über umfangreiche Dossiers mit bis zu 3.000 einzelnen Eigenschaften von etwa 700 Millionen Menschen – von Ausbildung, Wohnen, Beschäftigung, Finanzen, Eigentum und Wahlverhalten bis zu „Bedürfnissen“ und „Interessen“ im Bereich Gesundheit oder etwa der „Neigung zum Glücksspiel“ . Das Unternehmen betreibt 15.000 Kundendatenbanken von globalen Top-Unternehmen, kooperiert mit Google, Facebook und Twitter und hat seit dem Kauf des Online-Spezialisten Liveramp laut Eigenangabe drei Milliarden Kundendatensätze „ins Web gebracht“. Acxiom ist auch in Deutschland tätig und besitzt laut der Wochenzeitung Die Zeit Daten über 44 Millionen Deutsche„.
Quelle: Wolfie Christl, Cracked Labs (November 2014): Durchleuchtet, analysiert und einsortiert. Abgerufen am: 10.04.2015, 11:55 von http://crackedlabs.org/studie-kommerzielle-ueberwachung, Lizenz: CC BY-SA 3.0 Cracked Labs (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)
Der Internet-Nutzer stellt manchmal verwundert fest, dass er im Browser plötzlich Werbung aus einer Produktkategorie angezeigt bekommt, nach der er sich am Vortag im Internet erkundigte; z.B. sind folgende Tausenderpreise für solche gezielten Adressinformationen eines deutschen Adressenhändlers üblich:
Anz. Adressen | Beschreibung | Preis je 1.000 |
55.900 | Shopkäufer und Buchserienkäufer einer Zeitung | 210 € |
510.000 | aktive Kunden eines TV-Senders | 180 € |
110.000 | spendenfreudige ältere Damen & Herren | 175 € |
52.400 | Abonnenten katholische Wochenzeitung | 170 € |
246.100 | Lehrer mit Privatanschrift | 170 € |
367.700 | Lehrer mit Schulanschrift | 170 € |
374.000 | aktuelle Leser einer Zeitschrift | 160 € |
3.051.100 | passive Ältere | 155 € |
55.700 | aktive Käufer Beate Use | 150 € |
215.500 | Gewinnspielteilnehmer Drogerieartikel | 150 € |
2.155.000 | Werbedatei einer großen Tageszeitung | 110 € |
Aber solche zielgerichtete Werbung wird oftmals als harmlos eingestuft und von den meisten sogar gewünscht.
Auswertung von Nutzer-Profilen und deren (negative) Konsequenzen
Neben der zielgerichteten Werbung werden diese über den Internet-Nutzer gewonnen Informationen auch für Dinge genutzt, die für ihn weniger nützlich sind. Hier ein paar Beispiele, für welche Zwecke diese persönlichen Informationen gerne auch verwendet werden:
- „Bonitätsbewertung“ mittels Online-Daten“ wird gerne von Shops genutzt. Beispielsweise bietet das Unternehmen ZestFinance dazu Bonitätsinformationen an.
- „Personalentscheidungen auf Basis Big Data Auswertungen“ werden gerne von Personalabteilungen genutzt. Das Unternehmen Cornerstone hält dafür Ihre Daten bereit, und ConnectedCubed kann sogar die Leistungsfähigkeit der zukünftigen Mitarbeiter voraus-sagen.
- „Preisdiskriminierung“ ist heute schon Realität. Hierbei fordert ein Anbieter für die gleiche Leistung von Interesssenten und Kunden unterschiedliche Preise je nach deren Bildungsstand, Wohnort, Clubzugehörigkeit etc. Google hat auf eine Art der Preisdiskriminierung ein Patent angemeldet.
- „Krankheitsprognosen aus Konsumverhalten“ werden von Versicherungen getestet.
Es kann aber auch durchaus sein, dass der Nutzer (oder dessen Kinder) auch noch in 20 oder 30 Jahren mit Daten aus seinem Leben konfrontiert wird, die er selbst schon längst vergessen hat. Denn diese Daten-Sammel-Firmen vergessen nie etwas. Vor allem Kinder und Jugendliche, die heute meist sehr unbekümmert Datenspuren hinterlassen, können in vielen Jahren mit diesen Informationen konfrontiert werden. Eventuell sogar ohne dass sie es merken, wenn sie z.B. eine Versicherung abschließen und dafür mehr bezahlen müssen als andere, oder eine Job-Bewerbung mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt wird.
Mancher mag denken: „wie gut, dass ich in Deutschland lebe, da gibt es die besten Datenschutzgesetze“. Leider nützen die deutschen Datenschutzgesetze hier nur wenig. Sobald eine deutsche Tageszeitung im Internet aufgerufen wird, werden automatisch viele Daten-Tracker Programme mit aufgerufen. Das ist so in den Webseiten aller Medienunternehmen, auch bei deutschen Zeitungen und Zeitschriften, programmiert worden.
Nutzerdaten gehen auf Reisen
Das Internet Tool „Trackography” zeigt sehr gut aufbereitet, in welche Länder Nutzerdaten fließen und welchen rechtlichen Bestimmungen diese Länder unterworfen sind. Natürlich fließen die meisten Daten nach USA, da Facebook und Google am meisten genutzt werden und auf den meisten Medienseiten in irgendeiner Weise eingebunden sind.
Hier ein Beispiel des Medienportals der Zeitschrift „welt.de“; 21 weitere Firmen greifen ebenfalls gleichzeitig auf diese Nutzer-Tracking-Daten zu, die wiederum in die Länder Finnland, Dänemark, Italien, USA, Spanien, Italien, Niederlande, Großbritannien, Frankreich und in die Schweiz weitergeleitet werden.
Quelle: https://trackography.org/#DEU_3, abgerufen am 14.04.2015, 14.48
Aber viele Nutzerdaten gehen auch in Länder, in denen es keine Datenschutzgesetze gibt, wie z.B. Indien.Was in diesen Ländern mit den Nutzerdaten geschieht bzw. wohin und in wessen Hände sie gelangen, ist meist nicht mehr nachvollziehbar.
Des Weiteren sollte man auch nie vergessen, dass alle diese von Daten-Trackern gesammelten Daten auch gerne noch von Kriminellen und Geheimdiensten in diesen Ländern abgefangen und weiter verwertet werden.